NACHHALTIGKEIT – TRADITIONELLES KONZEPT MIT INNOVATIVEM ELEMENT

Nachhaltigkeit. Was verbirgt sich hinter diesem sperrigen, inzwischen überstrapazierten Wort, das vielfach zu einer Worthülse verkommt? Und ist das Konzept überhaupt neu? 

Wir sagen: Nachhaltigkeit ist an sich keine Innovation, sondern ein grundsätzlich konservatives, also bewahrendes Konzept, das aus dem Fokus geraten war und nun wieder die angemessene Bedeutung in unserer Wirtschafts- und Lebensweise erhält. Nachhaltigkeit ist die harmonische Synthese von drei miteinander verbundenen Bereichen, dem Sozialen, dem Ökologischen und dem Ökonomischen. Das innovative Element der Nachhaltigkeit entsteht durch die klare Abgrenzung gegen eine Art zu Wirtschaften und zu Leben, die ihre ureigenen Grundlagen zerstört und die zum traurigen Standard unserer Volkswirtschaften geworden ist. Dies geschieht oft ohne konkrete Absicht, jedoch durch fehlende Weitsicht und eine fehlende Annahme von Verantwortung für das Produkt und alles, was zu seiner Erzeugung von Nöten war.
Eine nachhaltige Unternehmensführung erkennt die systemische Verbindung von ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekten der gesamten Wertschöpfungskette an und bringt sie entsprechend in Einklang. Doch woraus setzen sich diese ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekte konkret zusammen und wie kann man möglichst optimal gestalten? „Was man nicht messen kann, kann man nicht lenken“, so die einleuchtende Aussage des Pioniers der modernen Unternehmensführung, Peter Drucker. Tatsächlich ist die Definition und die Messbarkeit von einzelnen Aspekten der Nachhaltigkeit in Form von Kriterien die Grundlage einer glaubwürdigen Aussage, dass ein Produkt und ein Unternehmen nachhaltig seien.
Was heißt das nun für die Weinbranche? Im internationalen Kontext ist geprüft „nachhaltiger Wein“ zunehmend zu finden, ob aus Kalifornien, Neuseeland oder Südafrika, wobei die inhaltliche tiefe und Umsetzung der dortigen Nachhaltigkeitsprogramme enorm variieren. Fest steht: Nachhaltigkeit ist ein Konzept, dessen Bedeutung mit einer enormen Dynamik von Produzenten und Verbrauchern, besser gesamt von Menschen, aufgefasst wird.
Als das Deutsche Institut für Nachhaltige Entwicklung in 2009 von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung den Zuschlag für die Entwicklung von Kriterien für „nachhaltige Weinproduktion“ hierzulande bekam, konnte mit diesem Begriff kaum jemand etwas anfangen. Nachhaltigkeit wurde vielfach als diffus und schwer greifbar erlebt und der eine oder andere schreibende Zeitgenosse hatte folglich seine Probleme, den umfassenden Kontext des Konzepts Nachhaltigkeit zu begreifen und einzelne Aktivitäten sachgemäß zuzuordnen. Klimaneutralität, Recycling, Biodiversität, gute Arbeitsbedingungen, Ausbildung – alles nachhaltig. Fair und grün, die von verschiedensten Organisationen ambitioniert beackerten Felder, galten als Synonyme für Nachhaltigkeit und eine Erweiterung dieser Konzepte wurde oft als überflüssig empfunden, denn wozu „noch ein weiteres Siegel“, wo es diese doch bereits vor Jahren im Überfluss gab.
Dabei ist in ebendieser Frage bereits die Antwort zu finden. So vielfältig die mit Siegeln aller Art ausgezeichneten Produkte, so vielfältig die Wertschöpfungsketten und die Bedürfnisse der beteiligten Personen und Gruppen. Bio und Fair grenzen sich durch eine ökologischere bzw. sozialere Wirtschaftsweise klar gegen konventionelle Produkte ab. Doch, wie der aufmerksame Verbraucher festgestellt hat, ist inzwischen Bio nicht Bio und Fair nicht Fair, denn selbst innerhalb dieser Kategorien sind die qualitativen Abstufungen erheblich, von Demeter zu EU-Bio, von Fairtrade zu Fairtrade light. Als die beiden großen Wegbereiter für eine Produktionsweise abseits des augenscheinlich wenig ökologischen und nicht ausreichen sozialen Standards fehlt ihnen dennoch ein entscheidendes Element: die deutliche Synthese von sozialen, ökologischen und auch ökonomischen Aspekten.
Für die hiesige Weinbranche schafft FairChoice® ebendiese Synthese, als Nachhaltigkeitsprogramm, dass ein Wertesystem mit klar messbaren Kriterien verbindet. FairChoice® ist keinesfalls ein „weiteres Siegel“, sondern vielmehr ein Konzept, dass Schlaglichter auf wesentliche Unternehmensbereiche wirft, sowohl anhand eines Wertesystems als auch durch objektiv messbare Kriterien. Konkret heißt das beispielsweise, dass Ökologie anhand der Boden- und Rebgesundheit, der Biodiversität und der Nutzung von Wasser und Energie, aber auch dem Verfahren mit Abfällen und dem CO2-Fußandruck bewertet wird. Soziale Nachhaltigkeit wird an dem Engagement des Betriebs in der Gemeinschaft und der Qualität der Beschäftigungsverhältnisse gemessen. Für eine ökonomische Nachhaltigkeit werden Unternehmensgewinn, Arbeitsproduktivität und die Anlagendeckung bewertet.
Weingüter profitieren von der Beschäftigung mit diesen Kriterien, denn sie zeigen Stärken, decken aber auch Bereiche auf, in denen noch etwas zu tun ist und können objektiv gemessen werden. Das schafft Effektivität und das schafft Glaubwürdigkeit. Auf dem internationalen Parkett ist Nachhaltigkeit bereits zu einem Kaufkriterium geworden und ebenso steigt dessen Bedeutung in unserem Weinmarkt, denn Nachhaltigkeit steht für Bewusstheit, Verantwortung und das rechte Maß und spiegelt damit den Wertewandel wieder, der sich grade vollzieht. In unserer detailverliebten Kultur stehen die einzelnen Kriterien und deren optimale Erfüllung schnell im Vordergrund. Allerdings sind diese eher als greifbar gemachte Reflektionen des Gesamtbildes zu verstehen. Und dessen Essenz ist, dass sich die Menschen wieder dem Wesentlichen zuwenden und im Einklang mit sich selbst und ihrem Umfeld sind.