Artenvielfalt im Weinberg

Teil 7. Die Bedeutung von Stickstoff im Ökosystem Weinberg

Stickstoff – N – zählt zu den wichtigsten Elementen im Leben von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen. Im Ökosystem Weinberg sind diese alle miteinander verknüpft. Artenvielfalt spielt daher eine wichtige Rolle insbesondere beim Kreislauf der vielfältigen N-Verbindungen.

Stickstoffkreislauf. Die Luft enthält etwa 78 Vol.-% Stickstoff (N2). Das neutrale Gas wird auf zwei Wegen in Ammonium (NH₄⁺) oder Nitrat (NO₃⁻). umgewandelt, so dass es von der Weinrebe aufgenommen und verarbeitet werden kann. Stickstoff ist ein unersetzlicher Baustein, weil er in jeder Zelle vorkommt. Es sind die lebenswichtigen Verbindungen wie Aminosäuren, Proteine und Nukleinsäuren und in den grünen Zellen das Chlorophyll. Darüber hinaus enthalten pflanzliche Zellen noch viele andere organische Moleküle mit Stickstoff. Sterben Zellen ab, werden die komplexen Verbindungen zerlegt und es entstehen vor allem Ammoniak (NH3) und Ammonium-Ionen (NH₄⁺). Diese Verbindungen wiederum können von Bakterien in Nitrite (NO₂⁻), Nitrate (NO3⁻) und auch wieder in molekularen Stickstoff (N2) umgewandelt werden. Die Rebe benötigt für ihren Stickstoffhaushalt gelöstes Nitrat, das sie über die Wurzel aufnimmt und in ihre Bausteine einbaut. Dieser Vorgang wird Assimilation genannt.

Wo liegen die Probleme? Eine grundlegende Voraussetzung für einen ausreichenden Ertrag und hohe Qualität des Weines ist eine ausgewogene Versorgung der Rebe mit allen Nährstoffen. Um dies zu gewährleisten, werden die Weinbergsböden gedüngt. Mineralischer Dünger und organischer Dünger können die Nährstoffe liefern. Der Vorteil beim mineralischen Dünger liegt darin, dass er genau dosiert werden kann. Ebenso kann er im Vergleich zum organischen Dünger leichter ausgebracht werden. Dem gegenüber stehen aber zwei schwerwiegende Nachteile: Bei der Herstellung von synthetischem Stickstoffdünger mithilfe des Haber-Bosch-Verfahrens wird Energie benötigt. Zur Synthese von 1 kg Stickstoff in Form von Ammoniak oder Ammoniumnitrat werden mindestens 0,6 kg Erdgas benötigt. Etwa 1,4% der globalen Energieproduktion werden derzeit für die Ammoniaksynthese verbraucht. Die Ammoniaksynthese ist von der Klimaneutralität noch weit entfernt.

Der pflanzenverfügbare Stickstoff, das Nitrat, ist wasserlöslich und bewegt sich mit dem Sickerwasser im Boden. Bei Überschuss und genügend Feuchtigkeit kann es bis ins Grundwasser gelangen. Dort ist Nitrat unerwünscht, weil es die Umwelt belastet und die Gesundheit gefährdet. Eine erhöhte Nitrat-Konzentration trägt massiv zur Überdüngung und Schädigung von Oberflächen- und Küstengewässern bei. 18 Prozent des Grundwassers in Deutschland hält den geltenden Schwellenwert von 50 Milligramm Nitrat je Liter nicht ein, so das Umweltbundesamt im Deutschen Nitratbericht 2020.

Aus Grundwasser wird Trinkwasser. Ein Nitratgehalt über 50 mg gefährdet beispielsweise die Gesundheit von Säuglingen. Sicher ist, dass die hohen N-Einträge auf die Düngung zurückzuführen sind. Daher regelt die Düngeverordnung u.a. die zulässigen Dunghöchstmengen. Mit organischen und organisch-mineralischen Düngemitteln einschließlich Gärrückständen, Klärschlämmen und Komposten dürfen im Betriebsdurchschnitt auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen bis zu 170 kg N/ha und Jahr ausgebracht werden. Das Umweltbundesamt empfiehlt als Langfristziel die Einhaltung von 50 kg N/ha und Jahr. Die Nachhaltigkeitskriterien von FairChoice legen 150 kg N/ha innerhalb von 3 Jahren als Höchstmenge fest, die nicht überschritten werden darf.

Das unbekannte Lachgas, nicht zum Lachen  Lachgas (N2O) ist eine gasförmige, farblose N-Verbindung. Diese entsteht vorwiegend durch mikrobielle Umwandlung von N-Verbindungen im Boden. Auch bei der Düngemittelherstellung, beim Verbrennen von Diesel und bei der Kunststoffproduktion entsteht Lachgas. Doch die Hauptmenge wird dann freigesetzt, wenn die Böden intensiv genutzt werden und wenn zu viel stickstoffhaltiger Dünger ausgebracht wird. Lachgas ist sehr stabil, es verbleibt im Durchschnitt ganze 114 Jahre in der Atmosphäre. Neben CO2 und Methan ist Lachgas ein extrem klimaschädliches Gas. Es ist sogar 300-mal klimaschädlicher als CO2. Der Beitrag von Lachgas zum anthropogenen Treibhauseffekt beträgt heute schätzungsweise 6 bis 9 Prozent.

Problemlösungen  Für einen nachhaltigen Weinbau gibt es nur eine Problemlösung: der Weinberg als lebendiges Ökosystem. Wenn der Grundstein dafür gelegt ist, dann muss nur noch die Menge an Nährstoffen nachgeliefert werden, die durch die Ernte dem System entzogen wurde. Erntereste wie Traubentrester decken bereits einen Teil ab. Beim Stickstoff können dies besondere Pflanzen übernehmen. Es ist schon lange bekannt, dass die Pflanzenfamilie der Leguminosen, auch Schmetterlingsblütler genannt, in Kooperation mit Knöllchenbakterien den Luftstickstoff in pflanzenverfügbaren Stickstoff umwandeln. Diese Versorgung ist absolut umweltfreundlich und auch klimaneutral. Ausführlich berichtet die LVWO Weinsberg darüber.

Ein artenreicher Bestand an Leguminosen in der Begrünung sichert selbständig und dauerhaft die Versorgung der Rebe mit Stickstoff. Das spart Zeit, Kosten und den bürokratischen Aufwand, den die Düngeverordnung vorschreibt. Außerdem sind blühende Leguminosen eine wichtige Futterquelle für viele Insekten und erfreuen, ganz nebenbei, auch das Auge. Zu beachten ist dabei, dass bei der Verfügbarkeit von großen Mengen an Stickstoff die Knöllchenbakterien ihre Arbeit verringern und dann die Lachgasemissionen zunehmen.

Abbildung 1: Hopfenklee. Der Name bezieht sich auf den Blütenstand, der dem Hopfen ähnlich ist. Pionierpflanze, Stickstoffsammler und Futterpflanze für Schmetterlinge und Bienen.

Die folgenden Leguminosen sind für den Weinberg geeignet: Gelbklee, Weißklee, Esparsette, Luzerne, Hornschotenklee, Hopfenklee, Inkarnatklee, Zottel-Wicke, Vogel-Wicke, Wiesenklee und viele andere. Einige der Arten sind auch in Saatgutmischungen enthalten. Mehr zu diesem Thema steht in: Blühende Vielfalt im Weinberg

Abbildung 2: Luzerne. Die Luzerne ist der beste Stickstoffsammler. Der Boden kann damit bis zu 300 kg N/ha angereichert werden. Eine intensive, tiefreichende Durchwurzelung ermöglicht lange Trockenperioden zu überstehen.

Fazit: Stickstoff ist der Motor des Wachstums. Eine ausgewogene Versorgung der Reben gelingt mit einer artenreichen Begrünung, die ausreichend Leguminosen enthält. Der Humusgehalt des Bodens speichert Stickstoff. Eine zeitlich dem Wachstum der Rebe zugeordnete Begrünungspflege liefert den pflanzenverfügbaren Grundnährstoff. Diese Methode ist ökonomisch sinnvol, umweltfreundlich und die klimaneutralste Variante.