Klimawandel und Klimaschutz in der Weinwirtschaft

von Dr. Helena Ponstein, 23.04.2020

Einen Tag nach dem Earth Day zeigt die Wetterstation von Neustadt an der Weinstraße, die in den Mußbacher Lagen der Genossenschaft Weinbiet Manufaktur steht, erneut über 20 Grad an. Regen gab es den ganzen April über bis heute quasi nicht, woran der teilweise schon vor Trockenheit rissige Boden aufmerksam macht. Den Reben fehlt es jetzt schon extrem an Wasser und der Austrieb ist entsprechend schwach und durch die hohen Temperaturen zu früh. Der Geschäftsführer der Weinbiet Manufaktur sieht die Auswirkungen direkt. „Wir haben jetzt schon weniger Wasser für die Reben verfügbar als in den letzten vier Jahren, und da war es schon extrem trocken. Die Wasserspeicher wurden im Winter nicht aufgefüllt“, so Dr. Bastian Klohr.

Durch die Corona-Krise wurde in den meisten Bereichen die Pause-Taste gedrückt und die volle Aufmerksamkeit auf das Bestehen dieser damit verbundenen großen Herausforderungen gelenkt. Doch die hohen Temperaturen und die Trockenheit in diesem Frühjahr erinnern uns an ein anderes großes Problem, dessen Behebung uns in den kommenden Dekaden noch bevorsteht. Um den Klimawandel auf ein erträgliches Maß zu begrenzen, müssen wir kollektiv bis 2040 klimaneutral leben und wirtschaften. Das heißt im Klartext, dass die Treibhausgasemissionen aus allen Bereichen auf ein Minimum begrenz werden müssen und darüber hinaus die Speicherung von Treibhausgasen notwendig ist, um das auszugleichen, was auch unter großen Anstrengungen nicht vermieden werden kann.

Abbildung 1: Emissionsquellen der Weinproduktion, eigene Darstellung

Die Weinrebe reagiert sehr sensibel auf den Klimawandel und es steht außer Frage, dass dadurch große Veränderungen angestoßen werden, die langfristig wirksam sind. Schon heute müssen die Winzer genau abwägen, wie sie auf die gestiegenen Temperaturen, längere Sonnenscheindauer und das fehlende Wasser reagieren. „Aktuell sollten wir den Boden aufbrechen und Gründüngung zur Humusbildung und zur Förderung der ökologischen Vielfalt sähen, gleichzeitig gilt es die Erosionsgefahr und steigende Wasserkonkurrenz zur Rebe im Blick zu halten“, schildert Klohr das Spannungsfeld der Entscheidung. „Ob die Saat dann aufgeht, steht auf einem ganz anderen Blatt.“

Die Weinbranche ist aber auch ein Verursacher von Treibhausgasemissionen in nicht unerheblichem Ausmaß. In meiner Dissertation an der Humboldt-Universität habe ich die größten Emissionsquellen und Einsparmöglichkeiten für Wein anhand einer Lebenszyklusanalyse untersucht.

Durch die Herstellung einer Flasche Wein in Deutschland vom Weinberg bis in die Flasche, die in einem Karton verpackt auf ihre Reise zum Kunden wartet („von der Wiege bis zum Werkstor“) entstehen im Durchschnitt etwa 0,83 kg CO2-Aquivalente. Die gute Nachricht ist, dass Weingüter etwa die Hälfte ihrer Treibhausgasemissionen vermeiden können. Die wichtigste Maßnahme betrifft dabei die Glasflasche: je leichter das Flaschengewicht, desto weniger Ressourcen werden dafür beansprucht und daher sinkt der CO2-Fußabdruck entsprechend. Durch einen Umstieg von einer 520 Gramm schweren Flasche auf eine Leichtglasflasche mit einem Gewicht von nur 400 Gramm können etwa 11% der Emissionen eingespart werden. Einen viel größeren Effekt hat es jedoch, die Glasflasche mehrfach zu verwenden, anstatt sie im Altglascontainer zu entsorgen und eine neue produzieren zu lassen. Was für Mineralwasser, Saft und Bier seit langem üblich ist, spielt für Wein bislang leider keine Rolle, obwohl der große ökologische Vorteil auf der Hand liegt: allein dadurch würden etwa 36% der Emissionen vermieden werden, und das unter sehr konservativen Annahmen, was die Umlaufzahl betrifft. Klimawandel und Klimaschutz in der Weinwirtschaft.

Eine weitere Möglichkeit, die die Glasflasche betrifft, ist das größere 1L Gebinde. Hier können im Vergleich zu einer durchschnittlichen 0,75L Flasche 13% der Treibhausgasemissionen vermieden werden. Aber diese Verpackungsform stößt in der Vermarktung des Weins schnell an seine Grenzen. In dem Sinne steht auch die Frage im Raum, inwiefern Bag-in-Box vom Weingut sinnvoll eingebunden werden kann – die Einsparmöglichkeit liegt nochmal unter der Mehrweg-Glasflasche. Aber auch hier gibt es für Winzer wieder Zielkonflikte. „Schwere Flaschen suggerieren eine höhere Qualität und lassen sich zu einem höheren Preis vermarkten“, so Dr. Klohr.

Neben der Auswahl der Getränkeverpackung spielt die Energiequelle eine Rolle. Durch den Umstieg von Graustrom auf Ökostrom würden weitere 9% vermieden werden können.

Als effektive Maßnahme zur Senkung der CO2-Bilanz pro Flasche Wein sind auch relativ hohe Flächenerträge zu nennen. Das liegt darin begründet, dass die Treibhausgasemissionen durch die Traubenproduktion über die Erntemenge auf den Wein umgelegt werden. Je mehr pro Hektar geerntet wird, desto geringer sind die THG-Emissionen je Flasche Wein – aber nur, wenn der höhere Ertrag nicht durch ein deutliches Mehr an Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln oder Durchfahrten (Dieselverbrauch) erzielt wird. Allerdings ist klar, dass diese Maßnahme sicher nicht für jeden Winzer geeignet ist und bei einer ertragsreduzierten Qualitätsstrategie auf wenig Gegenliebe stößt.

Schlussendlich kommt die Weinbranche nicht umhin, sich mit der Getränkeverpackung intensiv auseinanderzusetzen und konsequent die Möglichkeiten zur Emissionsminderung zu verfolgen, die sich bieten. Dabei ist es offensichtlich, dass es nicht nur an den Weingütern selbst liegt, ob diese Potentiale, insbesondere das der Mehrweg-Glasflasche, realisiert werden. Das Bewusstsein und der Wille zu einer Veränderung des eigenen Verhaltens der Kunden und des Einzelhandels sind essentiell für den Erfolg, der nur gemeinsam möglich ist.

Die Uhr tickt. Bis 2040 muss alles klimaneutral sein, damit das Leben der kommenden Generationen erträglich sein kann. Dafür muss die Erwärmung der Erde aber global auf 2°C, besser 1,5°C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitraum begrenzt werden. Ein Blick auf die Monatsmittelwerte der Wetterstation Neustadt in den Mußbacher Lagen zeigt, dass wir diesen Temperaturanstieg teilweise heute schon erleben – und in manchen Monaten sogar überschreiten.

Packen wir es an.