Artenvielfalt im Weinberg

Teil 4. Lebendiger Weinbergboden.

Was hat Artenvielfalt mit einem Weinbergboden zu tun? Hierzu müssen wir zunächst den Boden analysieren. Grundsätzlich ist der Boden ein hochkomplexes, dynamisches Gemisch, das zur Hälfte aus festen – anorganischen und organischen Bestandteilen – und zur Hälfte aus Hohlräumen, gefüllt mit Luft und Wasser, besteht. Die organischen Bestandteile bestehen zu 85 % aus toter Biomasse und Humus, zu 10 % aus Wurzeln. Den Rest stellt die Bodenlebensgemeinschaft. Dieser Rest ist sehr lebendig und Fachleuten als „Edaphon“ bekannt. Der Begriff kommt aus dem Griechischen und bedeutet „das im Boden lebende“.  Im und auf dem Boden leben eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Lebewesen: Bakterien und Pilze, aber auch Fadenwürmer, Regenwürmer, Asseln, Milben, Spinnen, Springschwänze, Hundert- und Tausendfüßer, Ameisen, Maulwürfe und viele andere. Ein einziger Teelöffel Boden enthält mehr Organismen als Menschen auf der Erde leben. Und auch hier im Boden gilt: je artenreicher die Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen sind, desto stabiler und leistungsfähiger ist das System.


Lebewesen in einem Quadratmeter Boden in den obersten Bodenschicht (30 cm tief) 

Grafik: Erhard Poßin (abgebildet in: JEDICKE, E. (1989): Boden - Entstehung, Ökologie, Schutz. Ravensburg: O. Maier, S. 68)

Welche Aktivitäten finden im Boden statt?

Im Ökosystem Weinberg bilden die Reben und die Begrünungspflanzen mittels Photosynthese das Material für den Stoff- und Energiehaushalt. Die Energie kommt von der Sonne und fließt in eine Richtung. Auf allen Ebenen des Systems wird Energie umgewandelt und verbraucht. Die Stoffe hingegen bewegen sich im Kreislauf. Letzten Monat haben wir das Beispiel vom verschwindenden Herbstlaub besprochen und dabei gesehen, dass die Lebewesen im Boden für eine Umsetzung bzw. den Abbau von organischem Material sorgen. In eingeschränktem Umfang auch von organischen Schadstoffen, die in oder auf die Böden gelangen. Die Bodenlebewesen bestimmen somit wesentlich die Stoffkreisläufe und die Bodenfruchtbarkeit. Der Erhalt und die Förderung des Bodenlebens gehört daher zu den wichtigsten Handlungsfeldern eines nachhaltigen Weinbaus.

Wo liegen die größten Herausforderungen?

Leben benötigt Wasser und Luft. In immer mehr Anbaugebieten führt die anhaltende Trockenheit zu Stress und Inaktivität der Bodenlebewesen. Eine Verdichtung des Bodens durch schwere landwirtschaftliche Geräte verengt die Hohlräume und mindert damit den Luft- und Wassergehalt im Boden. Mineralischer Dünger hat eine verheerende Wirkung auf viele Bodenorganismen. Problematisch ist auch, wenn Nitrat und Phosphat ins Grundwasser gelangen. Ebenso können Pflanzenschutzmittel im Boden große Schäden anrichten. Während organische Pflanzenschutzmittel von den Bodenorganismen umgewandelt und abgebaut werden, bleibt Kupfer erhalten. Kupfer reichert sich im Boden an. Offiziell wird das Mittel als schädigend für Regenwurmpopulationen eingestuft. Die Zahlen (Artenzahl und Menge) von Regenwürmern sind in den letzten Jahren beängstigend gesunken. Etwa 40 Prozent der hierzulande vorkommenden Würmer stehen auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Regenwürmer sind die Baumeister des Porensystems und die Bereitsteller von Zwischenprodukten für die Mikroorganismen. Bedingt durch ihre sichtbare Größe, kann die Zahl der Regenwürmer als Maß für Bodenfruchtbarkeit genutzt werden. Drei bis vier Regenwürmer pro Spatenprobe sollten es schon sein.

Wie gelingt ein lebendiger Weinbergboden?

Ein intaktes Bodenleben ist die Grundvoraussetzung für einen fruchtbaren Boden. Hier hat jeder Winzer und jede Winzerin die Möglichkeit verantwortungsvoll zu handeln. Die Gestaltung liegt in unseren eigenen Händen. Es ist relativ einfach. Durch eine ganzjährige artenreiche Begrünung wird dem System Energie und Biomasse zur Verfügung gestellt. Durch Reduzierung der Bodenverdichtung wird der Sauerstoff- und Wassergehalt des Bodens verbessert. Durch Verzicht auf mineralischen Dünger und die Belastung durch schädigende Pflanzenschutzmittel (Herbizide, Insektizide und Pestizide) werden Stresssituationen vermieden.

Die Vorteile einer naturnahen Begrünung zeigen sich nicht nur oberirdisch, denn ein funktionierendes Bodenökosystem ist direkt abhängig von der Photosynthese. Artenvielfalt hat ebenso positive Auswirkungen auf das Leben im Boden. Artenvielfalt ist die Voraussetzung für ein intaktes Bodenleben und damit Garant für einen zukunftsfähigen Weinbau.

Im Juni besprechen wir das Thema Humus. Gibt es Themen aus dem Bereich Artenvielfalt im Weinberg, die Sie interessieren und die wir noch nicht besprochen haben? Schreiben Sie uns Themenwünsche gerne an info@dine-heilbronn.de