Artenvielfalt im Weinberg

Teil 8. Nützlinge sind nützlich

Raubmilben, Spinnen, Fadenwürmer, Schlupfwespen, Ameisen, Ohrwürmer, Florfliegen und viele andere Organismen werden den Nützlingen zugeordnet. Grundsätzlich verstehen wir unter Nützlingen die natürlichen Feinde der Pflanzenschädlinge. Als wichtige Partner im Ökosystem reduzieren sie die Anzahl an schädlichen Organismen.Nützlinge sind immer ein Bestandteil der Artenvielfalt im Weinberg. Je artenreicher der Bestand ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich auch Nützlinge darunter befinden.

Das natürliche Gleichgewicht Für die natürliche Begrenzung einer Population sind abiotische und biotische Faktoren verantwortlich. Zu den abiotischen Faktoren zählen Temperatur, Feuchtigkeit und Umgebung. Einen nicht unerheblichen Einfluss haben die biotischen Faktoren: das Nahrungsangebot, der Kampf um die Nahrung gegen die Konkurrenz und die natürlichen Feinde, also die Nützlinge. Das natürliche Gleichgewicht kann kurzfristig durch verschiedene Einflüsse gestört werden wie günstige Wetterbedingungen oder ein optimales Nahrungsangebot, wie es zum Beispiel in einer Monokultur vorliegt. Die natürlichen Feinde können ausbleiben, sei es, dass sie ihrer Entwicklung hinterherlaufen oder durch den Eingriff des Menschen, unbeabsichtigt oder unvermeidbar, reduziert werden. Dabei kann die Population der Schädlinge über ein erträgliches Maß zunehmen und die Kultur gefährden.

Die Weinrebe wird im gesamten Verlauf ihrer Entwicklung von Tieren bevorzugt und bedarf einer ständigen Kontrolle. An drei Beispielen soll die Bedeutung von Nützlingen im Weinberg erläutert werden: Spinnmilben, Traubenwickler und Kirschessigfliege.

Spinnmilben Die Rebe wird von mehreren Spinnmilben befallen: (Kräuselmilbe (Calepitrimerus vitis), Bohnenspinnmilbe, auch Gemeine Spinnmilbe genannt (Tetranychus urticae), Obstbaumspinnmilbe (Panonychus ulmi) und der Blattgallmilbe (Colomerus vitis). Alle Milbenarten sind winzig, weit unter 1 mm, und nur mit einer starken Lupe zu erkennen. Die Biologie aller Milbenarten ist ausführlich beschrieben (1). Bei Befall kann der wirtschaftliche Schaden sehr hoch sein.

Einer der effektivsten natürlichen Feinde der Spinnmilben ist die Raubmilbe (Typhlodromus pyri). In der Praxis hat sich immer wieder gezeigt, dass in Rebanlagen mit einem gewissen Bestand an Raubmilben (mindestens 2 Tiere pro Blatt), kein nennenswerter Schaden durch Spinnmilben entsteht. Diese Erkenntnis hat im biologischen sowie im nachhaltigen Anbau zu der Praxis geführt, Spinnmilben nicht chemisch, sondern durch ihre natürlichen Feinde, die Raubmilben zu bekämpfen. Wenn keine Raubmilben vorhanden sind, wie zum Beispiel in Junganlagen, dann werden Raubmilben aus älteren Anlagen angesiedelt. Vorhandene Populationen werden dadurch geschützt, indem keine raubmilbenschädigenden Pflanzenschutzmitteln benutzt werden. Wenn das Angebot an Spinnmilben knapp wird, müssen Raubmilben nicht hungern, sondern können sich von Pollen ernähren.

Traubenwickler Zwei Schmetterlingsarten aus der Familie der Wickler können großen Schaden anrichten, nämlich der Einbindige Traubenwickler (Eupoecilia ambiguella) und der Bekreuzte Traubenwickler (Lobesia botrana). Die Raupen der ersten Generation (sog. Heuwurm) ernähren sich von den jungen Rebblüten. Die Raupen der zweiten Generation (Sauerwurm) leben in der Traubenbeere, die dann meist von Fäulnis befallen wird.Die klassische Bekämpfung mit Insektiziden hat verheerende Auswirkungen auf andere Insekten und die Umwelt.  Der Einsatz von biologischen Mitteln wie Bakterien (Bacillus thuringiensis) ist mit hohem Aufwand verbunden und entspricht nicht den Grundregeln einer nachhaltigen Wirtschaftsweise.

Natürliche Feinde von Traubenwicklern sind Schlupfwespen der Gattung Trichogramma. Diese winzigen bis 0,5 mm großen Tiere legen ihre Eier gezielt in die Eier des Traubenwicklers. Im Ei entwickeln sich die Nützlinge, die nach etwa 10 Tagen als Schlupfwespe schlüpfen. Mehre Generationen pro Jahr halten so die Traubenwickler unter der Schadschwelle. Als Puppe überwintern sie im Wirtsei. Allerdings reicht die natürliche Population von Schlupfwespen für eine erfolgreiche Bekämpfung der Schädlinge meistens nicht aus. Um eine ausreichende Befallsminderung zu erreichen, wird der Einsatz von gezüchteten Eiparasiten empfohlen. Bei der Bekämpfung des Maiszünzlers hat sich dies durch die Ausbringung von Schlupfwespen bereits bewährt. Eine weitere Nützling schonende Bekämpfung ist durch die bewährte Verwirrmethode gegeben.

Kirschessigfliege Die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) ist schwer zu bekämpfen und kann enorme Schäden verursachen. Sie wurde vor zehn Jahren zum ersten Mal in Deutschland nachgewiesen. Diese aus Südostasien stammende Tau-, Frucht- oder Essigfliegenart zählt zu den gefährlichen invasiven Arten, weil sie in Deutschland ideale Voraussetzungen antrifft. Eine Vielzahl von Wirtspflanzen, optimale Klimabedingungen und ein großes Vermehrungspotential bedrohen die Obst- und Traubenernte. Der Schädling ist auf all jene reifende Beerenfrüchte spezialisiert, die weichhäutige, rote oder dunkel gefärbte Früchte haben, u.a. Weinbeeren. Im Gegensatz zu vielen anderen Fruchtfliegen ist die Kirschessigfliege in der Lage, Eier in die reifenden Früchte zu legen, wo sich dann Larven entwickeln und die Früchte unbrauchbar werden. Ein Weibchen kann bis zu 400 Eier legen und pro Jahr wurden 6 bis 8 Generationen beobachtet. Optimale Bedingungen für den Schädling sind Temperaturen zwischen 10 bis 25 °C und eine relative Luftfeuchte bis zu 70 Prozent. Bei hohen Temperaturen über 30 °C und Trockenheit sinkt die Reproduktionsrate deutlich.

Problematisch für eine Eindämmung ist die Vorliebe für reifende Früchte. Dies erfordert eine Bekämpfung kurz vor der Ernte. Bei Anwendung von synthetischen Insektiziden besteht ein hohes Risiko an Rückständen auf den Früchten. Zudem sind die in Deutschland zugelassenen Wirkstoffe als bienengefährlich und raubmilbenschädlich eingestuft. Alternative Lösungen sind also gefragt. Bekanntlich haben invasive Arten selten oder oft sogar keine natürlichen Feinde. Daher haben sich mehrere Forscher*innen um eine alternative Lösung bemüht. Neben natürlichen Wirkstoffen (2) war auch die Suche nach Nützlingen erfolgreich. So wurde der Beweis erbracht, dass die folgenden Nützlinge die Kirschessigfliege erbeuten: Spinnen, Schaben, Weberknechte, Marienkäfer, Heuschrecken, Ameisen, Wanzen und Ohrwürmer. Besonders effektiv sind solche Gegenspieler, die die Brut vernichten, sogenannte Eiparasiten. Nachgewiesen wurde die Wirksamkeit verschiedener Schlupfwespenarten und von Nematoden. (2, 3) bei der Bekämpfung der Kirschessigfliege.

Fazit  Das gesetzte Ziel, den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln langfristig zu reduzieren, kann durchaus erreicht werden. Neben der Anwendung von neuen technischen Lösungen wird die Schonung und der Einsatz von Nützlingen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten.  Grundvoraussetzung dafür ist eine hohe Artenvielfalt im Weinberg.

Quellen

1 www.vitipendium.de

2 Dam, D., Molitor, D., & Beyer, M. (2019): Natural compounds for controlling Drosophila suzukii. A review. Agronomy for Sustainable Development, 39.

3 Ibouh, Khalid et al. (2019): Biological control of Drosophila suzukii: Efficacy of parasitoids, entomopathogenic fungi, nematodes and deterrents of oviposition in laboratory assays. Crop Protection 125 104897.